Wie kommen die Gemeinderäte auf ihre Sitze?

Eine Frage, die vielleicht viele beschäftigt und hier eine Antwort finden soll.

Vielleicht werden sie vom Bürgersaaldiener oder  sogar von Bürgermeister Singer persönlich zu ihrem Sitz geleitet. Dazu muß allerdings erst einmal feststehen, wie viele Gemeinderäte zu wählen sind und wie diese gewählt werden.

Die Rahmenbedingungen sind  in der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GO) festgelegt. So wird die Anzahl der Gemeinderäte nach einem Schlüssel in § 25 II GO bestimmt und  das nach § 26 II der GO „…aufgrund von Wahlvorschlägen unter Berücksichtigung der Grundsätze der Verhältniswahl …“ gewählt wird.

Welches Ziel wird mit der Verhältniswahl [1] verfolgt?

Das Ziel bei Verhältniswahlen ist es,
jeder Partei so viele Sitze zuzuteilen,
dass der Anteil der Sitze im Parlament dem Anteil der Stimmen dieser Partei entspricht.

Im Klartext heißt dies:
Der Stimmenanteil der Partei hat Vorrang vor dem Stimmenanteil der jeweiligen Kandidaten.

Deshalb werden Gemeinderäte in zwei Schritten ermittelt.

  1. Nach dem Sitzverteilungsverfahren aus den Wahllisten
  2. Nach der Anzahl gesammelter Stimmen des Kandidaten

1.    Sitzverteilungsverfahren

Der Vorgang des ersten Schrittes wird im Kommunalwahlrecht als Sitzverteilungsverfahren bezeichnet und in [2] erklärt. Nach dem Beschluß des Landtags am 11.4.2013 werden die Sitzzahlen der einzelnen Wahllisten nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung (Sainte-Laguë) [3] ermittelt.

Das klingt erst alles einmal kompliziert,
aber keine Angst, wir untersuchen das hier Schritt für Schritt am Beispiel der Gemeinderatswahl 2014 mit realen Zahlen.

Entsprechend der Gemeindeordnung sind in der Beispielgemeinde 14 Gemeinderatssitze zu vergeben. Demzufolge bemühen sich die Parteien oder Wählervereinigungen 14 Kandidaten in den Wahllisten aufzustellen. Der Wähler gibt dann den Kandidaten auf dem Wahlzettel die erlaubte Anzahl an Stimmen.

Nach Schließung der Wahllokale beginnt die Auszählung der Stimmzettel und die Summierung der Stimmen je Wahlliste.

Das Ergebnis am 25.5.2014 war:

Wahlliste Stimmen
Liste 2 11260
Liste 1 9508
Liste 3 4755
Liste 4 4454

Nun wird das Divisorverfahren angewendet, um die Verteilung der Sitze auf die Wahllisten durch Höchstzahlen zu ermitteln.
Dazu wird die Anzahl der Stimmen durch 0,5 / 1,5 / 2,5 / 3,5 … oder auch durch 1 / 3 / 5 / 7 …
geteilt. Damit es leichter nachvollziehbar ist, haben wir hier die letzte Variante gewählt und in der Zelle der Höchstzahl ihren Rang in Klammern eingetragen.
Es sind nur so viele Höchstzahlen erforderlich, wie Gemeinderatssitze zu verteilen sind. In der Beispielgemeinde sind es 14 Sitze und somit 14 Höchstzahlen.

Liste\Devisor 1 3 5 7 9 11
Liste 2 11260
(1)
3753
(5)
2252
(7)
1609
(9)
1251
(13)
1024
Liste 1 9508
(2)
3169
(6)
1902
(8)
1358
(12)
1056
(14)
864
Liste 3 4755
(3)
1585
(10)
951 679 528 432
Liste 4 4454
(4)
1485
(11)
891 636 495 405

Die obige Tabelle zeigt, welcher Liste wie viele Sitze im Gemeinderat in welcher Reihenfolge zugordnet werden. Die Sitzverteilung ist somit ermittelt und der erste Schritt ist abgeschlossen.

Im nächsten Schritt wird ermittelt, wer Gemeinderat wird.

2.    Anzahl gesammelter Stimmen der Kandidaten

Nun kommen wir zu der Frage, welche Kandidatin bzw. welcher Kandidat kommt nun in den Gemeinderat?

In diesem Schritt stehen die Stimmen, die die einzelnen Kandidaten auf sich vereinen konnten, im Vordergrund.

Schauen wir uns die Ergebnisse der Wahllisten von 2014 einmal an. Aus Platzgründen haben wir diese auf die gewählten Gemeinderäte (G) und den ersten Nachrücker (N) beschränkt.

Dies genügt, um einen Effekt oder – sagen wir mal – eine Kuriosität bei der Verhältniswahl zu veranschaulichen.

Wegen der besseren Übersicht sind in den folgenden Tabellen die Parteinamen und Kandidatennamen durch Liste und dem Listenplatz ersetzt und entsprechend der gesammelten Stimmen in absteigender Reihenfolge sortiert. In der Spalte „Höchstzahl-Rang“ ist der Rang aus dem vorangegangenen Sitzverteilungsverfahren eingetragen.

Wir erkennen, durch den Wählerwillen hat sich die Reihenfolge auf den Listen (bis auf die Listenplätze 1) deutlich verändert.

Liste Stimmen Listenplatz Höchstzahl-Rang Kandidat Ergebnis
Liste1 2.976 1 (2) Liste1-01 G
Liste1 1.741 3 (6) Liste1-03 G
Liste1 716 8 (8) Liste1-08 G
Liste1 626 5 (12) Liste1-05 G
Liste1 585 6 (14) Liste1-06 G
Liste1 557 9 Liste1-09 N
Liste Stimmen Listenplatz Höchstzahl-Rang Kandidat Ergebnis
Liste2 2.030 1 (1) Liste2-01 G
Liste2 1.632 3 (5) Liste2-03 G
Liste2 1.519 2 (7) Liste2-02 G
Liste2 1.076 8 (9) Liste2-08 G
Liste2 1.071 4 (13) Liste2-04 G
Liste2 770 6 Liste2-06 N

Na, ist Ihnen die Kuriosität schon aufgefallen?

Liste Stimmen Listenplatz Höchstzahl-Rang Kandidat Ergebnis
Liste3 1.278 1 (3) Liste3-01 G
Liste3 830 2 (10) Liste3-02 G
Liste3 620 3 Liste3-03 N
Liste Stimmen Listenplatz Höchstzahl-Rang Kandidat Ergebnis
Liste4 913 1 (4) Liste4-01 G
Liste4 491 6 (11) Liste4-06 G
Liste4 433 2 Liste4-02 N

Aber jetzt ist Ihnen die Kuriosität aufgefallen!

Richtig, wir vergleichen z.B. die Stimmenzahlen der Kandidaten Liste1-08 und Liste2-06. Kandidat Liste2-06 hat mehr Stimmen als Kandidat Liste1-08, ist aber nicht Gemeinderat geworden.

Ziehen wir in unserer Betrachtung noch die Stimmenanteile der Listen Liste3 und Liste4 hinzu, sehen wir, auch kleine und mittlere Parteien erhalten durch die Verhältniswahl ein angemessenes, politisches Mitwirkungsrecht.

Das heißt aber auch, daß jede einzelne Stimme, auch die für den „Wahlverlierer“, die Zusammensetzung des Parlamentes (z.B. Gemeinderat und Kreistag) bestimmt und nicht verloren ist.

Jetzt wissen wir, wie die Gemeinderäte auf ihren Sitz kommen. In einem vorangegangenen Beitrag haben wir gelesen, wie wir richtig wählen. Auch können wir im Amtsblatt Nr. 20 ab Seite 3 uns „amtlich“ zu den Wahlen informieren. Alle Wählervereinigungen und Parteien haben uns Ihre Programme und Kandidaten ins Haus geliefert.

Wir sind informiert und können am 26.5.2019 von 08:00-18:00 mitbestimmen, wer sich um die Geschicke in der Gemeinde, im Kreistag, in der Regionalversammlung und in Europa aktiv kümmern wird.

Wilfried Milow

– Kandidat –             steinenbronn.freiewaehler.de

[1] Verhältniswahl:
https://www.wahlrecht.de/verfahren/
[2] Abgeordnetenzahl/Sitzzuteilungsverfahren:
https://www.wahlrecht.de/kommunal/baden-wuerttemberg.htm

[3] Jean-André Sainte-Laguë
https://www.wahlrecht.de/verfahren/stlague.html

 


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